Was mache ich wenn…?

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…mein Hund einen Menschen/Hund/Gegenstand anknurrt oder anbellt?

Diese Frage hast Du Dir als Hundehalter sicherlich schon häufiger gestellt, oder Du hast sie zumindest in einem Hundeforum oder einer einschlägigen Facebook-Gruppe im Netz gelesen.

Die Ratschläge, die Du dann auf eine solche Frage häufig zu hören bekommst, gehen dann ungefähr so: „Du musst das Verhalten unterbinden”, oder: „Sag Deinem Hund wo es langgeht!“. „Meine Hunde dürfen nicht knurren oder bellen, ich dulde das nicht“, so oder so ähnlich habe ich es schon sehr oft gehört; Du sicherlich auch.

Damit es ganz klar ist: Diese Ratschläge gefallen mir nicht! Sie passen ganz und gar nicht zu meiner Lebensphilosophie, und falls Du meinen Blog und meine Beiträge schätzt, passen sie ziemlich wahrscheinlich auch nicht zu Deiner. Daher rate ich Dir dringend davon ab diesen zu folgen.

Warum Du Deinen Hund nicht hemmen solltest?

Mein Appell an Dich ist: hemme Deinen Hund nicht! Damit tust Du weder Dir noch Deinem Hund einen Gefallen. Gleich verrate ich Dir warum.

Hunde sind soziale Wesen. Sie kommunizieren (nonverbal) mit ihren Artgenossen und folglich auch mit ihrer Umwelt. Meiner Meinung nach, ist es die Aufgabe eines Hundeführers die Sprache der Hunde zu lernen. Nur wenn ich die (Körper-)Sprache meines Hundes lesen kann, kann ich sie im Kontext von Situation und Umwelt richtig deuten. Und nur damit habe ich die Möglichkeit ihm zu helfen kluge Entscheidungen zu treffen. Was kluge Entscheidungen sind, werde ich Dir später noch erklären.

Hunde kommunizieren, abgesehen vom Markieren überwiegend mit ihrem Körper. Wenn mein Hund mit akustischen Signalen – wie Bellen und Knurren – reagiert, dann habe ich ihm, schon lange vor dieser Reaktion, nicht richtig zugehört. Die renommierte Verhaltensforscherin Dr. Ute Blaschke-Berthold sagt dazu folgendes: „Lange bevor der Hund für uns deutlich reagiert, hat er im Kleingedruckten gezeigt, ob er meiden oder angreifen, in welche Richtung er sich wenden, in welches Körperteil er beißen und wie stark er reagieren wird.“ Muss mein Hund also mit Großgedrucktem wie knurren, bellen, Zähne fletschen reagieren, dann habe ich die Kommunikations- und Warnsignale meines Hundes missachtet.

hundebegegnung

Hundebegegnung: ausdrucksstarke Körpersprache.

Wenn Dein Hund in die unangenehme Lage kommt jemand anderes anknurren oder anbellen zu müssen, dann bestrafe ihn bitte nicht. Er hat nichts falsch gemacht. Du allerdings, hättest besser auf seine frühen und etwas leiseren Kommunikationssignale acht geben müssen. Kontraproduktiv wäre es in diesem Fall das Verhalten Deines Hundes zu hemmen, sprich das Knurren oder Bellen mittels Strafe zu unterbinden. So nimmst Du ihm die Möglichkeit mit seiner Umwelt zu kommunizieren. Das kann schwerwiegende Folgen für Deinen Hund, Eure Beziehung und letztlich auf das Training und sein Verhalten haben.

Ich erkläre Dir jetzt warum: Einen Hund zu bestrafen der versucht Dir zu vermitteln, dass er sich in einer unangenehmen Situation befindet, ist extrem unfair; zumal Du ihn in diese Lage gebracht hast und seine „leisen“ Kommunikationsversuche überhört hast. Zusätzlich führt eine Strafe die sein Verhalten hemmen soll zu Angst und Frustration, was seinen Erregungslevel erneut in die Höhe treibt. Darüber hinaus wirst Du mit einer Maßregelung nicht nur das unerwünschte Verhalten hemmen, sondern auch jegliches andere Verhalten das Du Dir stattdessen von Deinem Hund wünscht; beispielsweise ein Wegdrehen oder Zurückweichen. Schlimmstenfalls wird Dein Hund durch eine immer wieder kehrende Maßregelung in den sogenannten Status der erlernten Hilflosigkeit fallen. Diese Art von Verhaltensstörung umfasst stoisches Ertragen von Strafen, verminderte Schmerzempfindlichkeit, Lernversagen und Lernresistenz und völlige Trainingsverweigerung. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen dass es das ist was Du für Deinen Hund möchtest.

Was kannst Du stattdessen tun?

Knurren oder Bellen bei Hunden wird in unserer Gesellschaft nicht gerne gesehen. Es gilt als ein Zeichen von Ungehorsam. Hunde die ein solches Verhalten zeigen werden fälschlicherweise als gefährlich, kampfeslustig oder sogar als blutrünstig eingestuft. Dass diese Meinung ein Irrglaube ist, und was Du lieber nicht tun solltest habe ich Dir bereits erklärt. Welche Möglichkeiten Dir stattdessen zur Verfügung stehen wirst Du jetzt von mir erfahren:

Grundsätzlich gilt, Unerwünschte Handlungen gar nicht erst aufkommen lassen. Das heißt, wenn Dein Hund nicht knurren oder bellen soll, sorge dafür dass er nicht in die Lage kommt dies tun zu müssen. Dabei helfen Dir folgende vier Leitsätze.

1. Lerne zu beobachten und zu beschreiben

Damit Du weißt was bei Deinem Hund los ist und was er von Dir braucht ist es wichtig, dass Du seine Sprache verstehst. Keine Sorge, wie Du die Körpersprache des Hundes lesen und interpretieren kannst, bekommst Du hier, hier und hier beigebracht. Außerdem gibt es eine tolle App, die Dir für unterwegs ebenfalls das nötige Wissen vermittelt.

Für diesen ersten Schritt brauchst Du lediglich Deine Augen. Das einzige was Du tun musst ist das Verhalten Deines Hundes zu beobachten und möglichst genau zu beschreiben. Achte dabei bitte auf folgende Körperpunkte:

  1. Kopf (Augen- wo zeigen sie hin? Sind sie offen oder geschlossen?; Fang – offen oder geschlossen?; Nase – sind die Nüstern geöffnet oder geschlossen?; Ohren bzw. Ohrenansatz bei Schlappohren – in welche Richtung zeigen sie?)
  2. Läufe/Beine und Schultern (Wie werden diese belastet? Sind sie vorwärts oder rückwärts gerichtet?)
  3. Rücken und Rumpf (Ist der Rücken Steif oder beweglich?)
  4. Fell (Ist es glatt oder aufgestellt?)
  5. Rute (Ist sie steif oder beweglich? Wo befindet sich der Rutenansatz?)

Hundespiel ist eine tolle Gelegenheit um Körpersprache zu beobachten.

Sammle alle diese Informationen zunächst einmal völlig wertfrei und möglichst detailgenau. Sie sind später wichtig um herauszufinden wie es Deinem Hund geht und was er möchte.

2. Analysiere Deine Beobachtungen und setze sie in einen Kontext

Im zweiten Schritt beginnst Du Deine gesammelten Daten auszuwerten. Ordne Deine Beobachtungen die Du am Hund gemacht hast und setze sie in einen Kontext. In welcher Umgebung befindest Du Dich mit Deinem Hund? Seid Ihr drinnen oder draußen? Zu welcher Tages- und Jahreszeit? Ist es dunkel oder hell? Wie ist das Wetter? Wer ist anwesend? Und so weiter. Die Antworten auf diese Fragen helfen Dir später bei Der Interpretation des Hundeverhaltens.

3. Interpretiere Deine Analyse

Nachdem Du all Deine Daten gesammelt und analysiert hast, ist es an der Zeit diese zu interpretieren. Dafür musst Du wissen welche Bedeutung das Verhalten Deines Hundes haben kann. Dieses Wissen kannst Du Dir mit den Medien aneignen Die ich Dir unter Punkt 1 genannt habe. Wenn Du dabei lieber professionelle Unterstützung hast, kann Dir ein kompetenter Hundetrainer oder eine Hundeschule gut weiter helfen. Eine umfassende Liste aus dem deutschsprachigen Raum findest Du hier; sie ist nach Ländern und Postleitzahlen geordnet.

Ein offener Fang kann vieles heißen. Erst in Relation zum Kontekt wird seine wirkliche Bedeutung erkennbar.

Dieses Wissen solltest Du in Deinem Kopf abspeichern und stets griffbereit haben. Warum das notwendig ist zeige ich Dir an einem einfachen Beispiel: Ein geöffneter Fang kann mehrere Dinge bedeuten, erst wenn diese Beobachtung im Kontext interpretiert wird ergibt sie einen Sinn. Wenn ich diese Beobachtung an einem heißen Sommertag mache, mein Hund bereits mehrere Kilometer gelaufen ist und weder Körperanspannung (Achtung: verkürzte Darstellung) –sogenannte Steifheit- noch jemand in der Nähe zu sehen ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass der Hund den Fang deshalb geöffnet hat, weil ihm heiß ist. Ist es aber Winter und bitterkalt, der Hund gerade aus dem Auto gehüpft und prompt einem anderen Hund begegnet der ihn fixiert, dann könnte das auch stressbedingtes Verhalten sein. Dieses geht meist mit anderen Signalen wie Steifheit, tiefer Rutenansatz, nach hinten gerichtete Ohren usw. einher.

Du merkst, ohne Kontextualisierung ist eine Interpretation von Hundeverhalten nicht sinnvoll durchführbar.

4. Handle im Interesse Deines Hundes und fördere kluge Entscheidungen

Sobald Du herausgefunden hast was mit Deinem Hund los ist, solltest Du dementsprechend handeln. Hunde die Artgenossen oder Menschen anknurren oder anbellen, machen dies in der Regel weil sie mehr Abstand vom Stressauslöser benötigen. Damit Dein Hund gar nicht erst in die Bredouille kommt bellen zu müssen, liegt es an Dir dafür zu sorgen dass Dein Hund rechtzeitig genügend Abstand zum Artgenossen erhält. Hilf Deinem Hund eine kluge Entscheidung zu treffen!

Schau genau hin: Hunde sind ständig in Bewegung und haben Dir jede Menge zu sagen!

Kluge Entscheidungen bietet Dir Dein Hund oft von selbst an, er signalisiert Dir im Kleingedruckten schon von Anfang an wie er mit der Stresssituation umgehen möchte. Grundsätzlich umfassen kluge Entscheidungen deeskalierendes Verhalten und werden immer im Interesse des Hundes getroffen. Sie bilden ein Alternativverhalten zum Knurren oder Bellen.

Probiere es doch einfach beim nächsten Spaziergang aus. Statt frontal auf eine Hund oder Menschen zuzugehen, laufe lieber einen Bogen oder wechsle die Straßenseite. Belohne Deinen Hund wenn er zum Stressauslöser schaut. Wenn er dabei weder bellt noch knurrt,  zeigt er genau das Verhalten das Du haben möchtest.

Mein Tipp für Dich: Diese Infos sind relativ umfangreich und müssen erst einmal sacken. Ein Trainingstagebuch kann am Anfang helfen die Übersicht zu behalten. Sobald Du es drauf hast, geht dieser ganze Ablauf innerhalb von wenigen Sekunden ganz automatisch vonstatten.

P. S. Einige Bücher und eine DVD habe ich Dir bereits Empfohlen. Für Anfänger können diese aber manchmal noch etwas schwer nachzuvollziehen sein. Mit diesem wirklich schön geschriebenen Buch gelingt dir der Einstieg in das Thema ganz leicht!

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9 thoughts on “Was mache ich wenn…?

    • Liebe Sonja, lieber Charly,

      es ist schön zu lesen, dass Euch der Artikel eine Inspiration ist. Lasst mich doch wissen wie es läuft. Ich stehe gerne mit Rat und Tat zur Seite :-)

      Liebe Grüße,

      Eure Sarah

    • Liebe Beate,
      es macht mich stolz, dass Dir der Artikel so gut gefällt. Ich hoffe, dass ihn viele Hundehalter lesen werden und zum nach- und umdenken im Umgang und Erziehung ihrer Hunde angeregt werden. MITeinander statt GEGENeinander!

      LG, Sarah

  1. Huhu liebe Sarah,
    ein sehr schöner informativer Post ist das geworden! Ich bin mir sicher, das hilft auf jeden Fall in vielen Situationen weiter. Vor allem die App werde ich mir mal genauer ansehen.
    Liebe Grüße, Kathy

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